Europäische Schuldenunion „dank“ Corona
Die CDU/CSU haben unser Land in diese Finanz- und Wirtschaftskrise gestürzt.
Aktuell hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) der Schuldenpolitik der Ampel-Regierung einen Riegel vorgeschoben. Es geht um 60 Milliarden Euro aus einem Nachtragshaushalt des Jahres 2021, der nun für den Umweltschutz ausgegeben werden soll, ursprünglich aber zur Bekämpfung der Corona-Krise gedacht war.
Die CDU/CSU-Fraktion spielt sich als der große Finanzretter auf, dabei waren es gerade diese CDU und die Alt-Kanzlerin Angela Merkel, die zuvor Milliardenschulden auftürmten. Es begann mit der Griechenland-Krise, als Merkel sagte: „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa.“ Bereits im Jahr 2010 kam der europäischen Stabilisierungsmechanismus für Griechenland, an dem sich auch Deutschland mit einer Summe von 123 Milliarden Euro beteiligte. Bereits damals wurden Stimmen laut, dass die Europäische Union sich auf dem Weg zu einer Transferunion befinde. Es müssten für Europa die richtigen Entscheidungen getroffen werden, sagte der damalige Unionsfraktionsvorsitzende Volker Kauder. Dabei gelte es, nach vorn zu schauen, statt „kleinteilige Abrechnungen vorzunehmen“.
Im Jahr 2020 gab das BVerfG dann einer Klage gegen das Staatsanleihekaufprogramm der Europäischen Union (PSPP) statt. Ziel dieses Programms war es angeblich, zur Stabilisierung einer Inflationsrate bei knapp unter zwei Prozent beizutragen. Kritiker warfen der Europäischen Zentralbank (EZB) vor, mit dem PSPP primär wirtschafts-, nicht geldpolitische Zwecke zu verfolgen und Staatsfinanzierung zu betreiben, was nach den EU-Verträgen verboten ist. Diese Beschlüsse der EZB zum Staatsanleihenkaufprogramm seien aber kompetenzwidrig gewesen, urteilte das BVerfG – entgegen der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Die EU eröffnete daraufhin ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die BRD als Handlung „ultra vires“ – jenseits seiner Kompetenzen.
Die Ultra-vires-Doktrin
Die Gültigkeit des Europarechts, so das Argument der deutschen Richter, ergebe sich nur aus dem Willen der Mitgliedstaaten als „Herren der Verträge“; mithin besitze auch der EuGH nur die Kompetenzen, die die Mitgliedstaaten ihm in den EU-Verträgen eingeräumt haben; und wenn der EuGH das Europarecht nicht richtig anwende, dann handle er jenseits seiner Kompetenzen – also „ultra vires“, sodass die Mitgliedstaaten sich nicht an seine Urteile zu halten hätten.
Die Auslegung des Europäischen Gerichtshofs sei „nicht mehr nachvollziehbar und daher objektiv willkürlich“ gewesen. Dessen Entscheidung sei deshalb „vom Mandat des [EU-Vertrags] nicht mehr gedeckt“, sodass ihr „jedenfalls für Deutschland das […] erforderliche Mindestmaß an demokratischer Legitimation fehlt“, urteilte das BVerfG. Die finanziellen Hilfsmaßnahmen der Europäischen Union (PEPP und „Next Generation EU“) im Jahr 2020 im Zusammenhang mit der Corona-Krise waren dabei nicht Gegenstand der Entscheidung aus Karlsruhe.
Corona-Bonds
Bis zu diesem Zeitpunkt hielten sich die Staaten der EU immerhin noch an die No-Bail-Out-Klausel. Diese besagt, dass einzelne Länder nicht für die Schulden anderer Länder haften. Dies änderte sich mit den sogenannten Corona-Bonds: Damit wurde die EU-Kommission sogar dazu ermächtigt, an den Kapitalmärkten im Namen der Union Mittel bis zu 750 Milliarden Euro aufzunehmen. Damit haften die Mitgliedstaaten über ihre künftigen Beiträge zum Haushalt der Europäischen Union und zwar gemeinschaftlich für die Schulden des Fonds. Sollten Mitgliedstaaten ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen, müssen die übrigen Mitgliedstaaten über ihren Anteil am EU-Haushalt hierfür einstehen. Erstmals verschuldet sich die EU damit als Ganzes, was in den EU-Verträgen nicht vorgesehen ist.
Möglich gemacht hat dies eine Klausel nach Artikel 222 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) der besagt: Ist ein Mitgliedstaat von einem Terroranschlag, einer Naturkatastrophe oder einer vom Menschen verursachten Katastrophe betroffen, so leisten die anderen Mitgliedstaaten ihm auf Ersuchen seiner politischen Organe Unterstützung. Insofern ist der Artikel 222 AEUV die Hintertüre für die in Artikel 125 AEUV normierte No-Bail-Out-Klausel, die eigentlich besagt, dass wir nicht für andere Staaten haften, in einer Situation, einer Krise, die aber nicht vom Menschen gemacht sein darf, wenn es um finanzielle Hilfen geht.
Die „Naturkatastrophe“ Corona-Krise
Als der Virus in Italien (Bergamo) gefährlich wurde, wurde es auch für die maroden Banken in Italien brandgefährlich. Zufälle soll es geben – denn bereits vor der Corona-Krise hingen Banken in Italien am Tropf der Regierung. Seit dem 22. März 2020 standen dann de facto große Teile der italienischen Wirtschaft aufgrund des von Ministerpräsident Guiseppe Conte angeordneten „Shutdowns“ still. Die Begründung hierzu: Corona. Dieser Stillstand sollte die Probleme der italienischen Kreditinstitute noch drastisch verschärfen. Ein systemisches Risiko rollte damit auf das gesamte europäische Bankensystem zu.
Die schon vor der Corona-Krise auf staatliche Hilfe angewiesenen Banken, wie die Monte de Paschi, drohten als abschreckendes Beispiel für Investoren eine Kettenreaktion auszulösen. Wie die Menschen versuchten das „Virus“ zu meiden, versuchte das internationale Kapital die Banken Italiens zu meiden. Selbst große und bis zu diesem Zeitpunkt im März 2020 relativ solide Banken wie die Unicredit waren mittlerweile komplett abhängig von der Unterstützung der Europäischen Zentralbank (EZB), wenn sie sich am Kapitalmarkt refinanzieren wollten. Mit anderen Worten: Ohne die finanzielle Unterstützung durch die EU wären die Renditen für italienische Staatsanleihen 2020 durch die Decke gegangen und Kredite wären für die Italiener damit unbezahlbar geworden.
Es war daher absehbar, dass die ökonomischen Folgen der Corona-Krise die italienische Wirtschaft in eine tiefe Rezession drücken. Das Gleiche gilt für das italienische Bankensystem, dessen Geschäfte größtenteils ruhten, womit aber dringend benötigte Einnahmen weggefallen waren. Auf der anderen Seite stieg mit jedem Tag des Stillstands das Volumen der uneinbringlichen Forderungen in den Büchern der Banken.
Scheitert der Euro, dann scheitert Europa
Nun hatten die Italiener das, was sie immer haben wollten: die Gemeinschaftsverschuldung der EU – denn ohne Zustimmung zu den Corona-Hilfen, hätten die Italiener die Banken eiskalt an die Wand fahren lassen und damit eine Kettenreaktion im Bankensystem ausgelöst, die Folge wäre der Zusammenbruch des Eurosystems gewesen, doch seit Merkel wissen wir ja: Scheitert der Euro, dann scheitert Europa.
In der Folge ging es nur noch um die Höhe der Schulden. Die Europäische Zentralbank (EZB) beschloss zur Bewältigung der angeblich durch Corona bedingten Wirtschaftskrise ein bis Ende 2020 laufendes Hilfspaket mit der Bezeichnung Pandemic Emergency Purchase Programme (kurz PEPP), um Anleihen im Wert von 750 Milliarden Euro zu kaufen.
Am 18. Mai 2020 schlugen Angela Merkel und Emmanuel Macron einen Hilfsfonds für EU-Staaten in Höhe von 500 Milliarden Euro vor, die die EU-Kommission als Schulden am Finanzmarkt aufnehmen sollte. Grund für den Meinungswechsel der deutschen Regierung hinsichtlich der Frage, ob Kredite oder Zuschüsse gewährt werden sollen, soll die oben genannte Entscheidung des BVerfG vom 5. Mai 2020 bezüglich der Europäischen Zentralbank gewesen sein. Österreich, Schweden, Dänemark und die Niederlande veröffentlichten hingegen einen Gegenvorschlag, wobei als wesentlicher Unterschied das Geld in Form günstiger Kredite an die Mitgliedstaaten gegeben werden sollten, die sogenannten „sparsamen Vier“. Die europäische Öffentlichkeit nahm von diesen Schuldenbergen dabei kaum Kenntnis, da die Bürger sich zu diesem Zeitpunkt mehr Gedanken über den „R-Wert“ machten und die Frage, wo man noch eine Flasche Sagrotan ergattern könnte.
Next Generation EU – ein rechtswidriges „Aufbauprogramm“
Neben dem PEPP-Programm setzte die EU dann aber noch einen oben drauf: „Next Generation EU“. Am 27. Mai 2020 wurde von der Kommission von der Leyens der Wiederaufbaufonds („Next Generation EU“) von 750 Milliarden Euro vorgeschlagen, der aus 500 Milliarden Euro an Zuschüssen und 250 Milliarden an günstigen Krediten für die Mitgliedsländer bestand. Der Fond sollte Teil des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR), dem mindestens fünfjährigen Haushalt der Europäischen Union ab 2021, sein.
Nach Vorstellung der Kommission sollte das Geld nicht vor 2028 und nicht nach 2058 zurückgezahlt werden. Aufgebracht werden könnte es über zusätzliche Einnahmen, wie die Ausweitung des EU-Emissionshandels, ein europäisches CO2-Grenzausgleichssystem, eine Digitalsteuer und weiteren Möglichkeiten.
Auf Druck von Österreich, Schweden, Dänemark, den Niederlanden sowie Finnlands wurde sich darauf geeinigt, von den 750 Milliarden Euro, 390 Milliarden Euro als Zuschüsse und 360 Milliarden Euro in Form von rückzahlbarer Darlehen auszuzahlen. Da die EU zwar die Schulden begeht, aber selbst nicht in die Haftung tritt, sind letztlich die einzelnen Mitgliedsländer die Garantiegeber. Daher wurde beschlossen, dass jedes Land nur maximal bis zum eigenen Anteil am EU-Haushalt haftet. Für Deutschland wären das bis zu 27 Prozent der beschlossenen 750 Milliarden Euro. Das entspricht 202 Milliarden Euro für den Fall, dass die Rückzahlung durch die EU nicht wie angestrebt funktioniert.
Laut den EU-Verträgen ist es einer Institutionen wie der EU verboten, eigene Schulden aufzunehmen – dies würde eine Reform der EU-Verträge voraussetzen. Ferner werden die Zinskosten des Fonds bis 2058 bis zu 230 Milliarden Euro betragen. Hauptprofiteure der Corona-Gelder sind dabei Italien und Spanien, wobei die Italiener und Spanier mehr Privatvermögen besitzen als die Deutschen und die Steuerbelastung in beiden Ländern deutlich niedriger ist als in Deutschland. Wenn die CDU sich also nun als der große Hüter der Finanzen darstellt, weil die Ampel-Regierung 60 Milliarden Corona-Gelder aus dem Jahr 2021 „umschichten will“, dann muss man der CDU in Erinnerung rufen, dass grade die CDU-Kanzlerin Merkel die Milliardenschulden auf EU-Ebene und die Umverteilung unserer Steuergelder ins Ausland möglich gemacht hat – Deutschland ist mit 65 Milliarden Euro jährlich der größte Nettozahler der EU.
Rechtlich bin ich der Ansicht, dass dieser Ultra-vires-Akt (jenseits der Befugnisse) einer Gemeinschaftsverschuldung rechtswidrig sein dürfte. Es ist mehr als offensichtlich, dass es sich um eine verdeckte Staatsfinanzierung Italiens handelt und eben nicht mehr um eine Frage der europäischen Geldpolitik.
Für die Italiener hat sich die Corona-Krise jedenfalls gelohnt. „Dank“ Corona konnte man die EU endlich in die Gemeinschaftsverschuldung zwingen und Milliarden an Geldern (200 Milliarden erhielten die Italiener aus den Wiederaufbaufonds) aus den Transfers erlangen – Bergamo lässt schön grüßen. Für die BRD bleibt das Risiko, für 202 Milliarden Euro zu haften, sollte der Euro oder die EU auseinanderbrechen oder die EU die Schulden nicht mehr einnehmen können. Wie die EU die Schulden zurückzahlen will, ist dagegen auch völlig offen. Die Staatsverschuldung Italiens ist inzwischen von 134,8 Prozent des BIP im Jahre 2019 auf rund 143,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen.
Die schöne neue grüne EU-Welt, die es dank Next Generation EU geben soll, ist auch nach dem weltweit einzigartigen Verbrennerverbot noch nicht in Sicht und wird auch nicht zu blühenden grünen Landschaften in Europa führen, sondern eher zum Gegenteil. Trotz Milliarden neuer Schulden, wird Europa wirtschaftlich abgehängt werden. Die Folge dessen wird sein, dass in den europäischen Nationalstaaten die Rechtspopulisten an Zuspruch gewinnen und sich das Projekt Europa damit erledigt haben wird. Eine historische Chance wurde somit vertan – außer Spesen nix gewesen – aber immerhin hat man nun einen Schuldigen gefunden, es waren keine unfähigen Politiker, sondern ein „Virus aus einem Labor in Wuhan“.