Deutsche Staatsräson und die Drecksarbeit

Deutsche Staatsräson und die Drecksarbeit
Published On: Juni 18, 20251332 words6,7 min read

Es ist der 18. März 2008, der 60. Jahrestag der Gründung des Staates Israels: Angela Merkel (CDU) spricht in Jerusalem als erste Bundeskanzlerin vor der Knesset, dem israelischen Parlament. Merkel stellt mit Blick auf den Holocaust klar: „Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar.“

Nach dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober dieses Jahres werden Merkels Worte wieder viel zitiert – auch vom jetzigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). In einer Regierungserklärung zur Lage Israels im Deutschen Bundestag steht an seiner Seite im Parlament der israelische Botschafter. Scholz betont: „In diesem Moment gibt es für Deutschland nur einen Platz – den Platz an der Seite Israels. Das meinen wir, wenn wir sagen: Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson“.

Volksverhetzung und das Völkerstrafrecht

Im Jahre 2022 wurde die Volksverhetzung neu geregelt. Nach § 130 Absatz 5 StGB (Volksverhetzung) stellt die öffentliche Billigung, Leugnung oder gröbliche Verharmlosung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen nun unter Strafe.

Die Tathandlung wird in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches genauer bezeichnet. Dort heißt es: Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt, das Aushungern von Zivilpersonen als Methode der Kriegsführung einsetzt, indem er ihnen die für sie lebensnotwendigen Gegenstände vorenthält oder Hilfslieferungen unter Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht behindert, macht sich strafbar. Ebenso unter Strafe steht, wer eine nationale, rassische, religiöse oder ethnische Gruppe als solche ganz oder teilweise zerstören will. Völkermord ist es, wer eine der vorgenannten Gruppen unter Lebensbedingungen stellt, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen.

Die Kommission für Menschenrechte und die Nationale Menschenrechtsinstitution in Palästina, hat am 29. April 2025 auf die katastrophale humanitäre Lage im Gazastreifen aufmerksam gemacht. „Die Unabhängige Kommission für Menschenrechte (ICHR) macht Sie dringend auf die katastrophale und sich rasch verschlimmernde humanitäre Katastrophe im Gazastreifen aufmerksam.

Seit fast zwei Monaten führt die anhaltende und umfassende Blockade der israelischen Besatzungsbehörden dazu, dass humanitäre Hilfe, Hilfsgüter und lebensnotwendige Güter für die rund zwei Millionen Palästinenser im Gazastreifen vollständig blockiert werden. Die humanitäre Lage, die bereits seit dem 7. Oktober 2023 verzweifelt war, hat nun einen noch nie dagewesenen Zustand des Zusammenbruchs erreicht.

Die notwendige Drecksarbeit

Die Selbstverteidigung Israels ist seit Angela Merkel also deutsche Staatsräson. Menschen auszuhungern, stellt dagegen einen Verstoß gegen das Völkerrecht dar. Kanzler Friedrich Merz (CDU) äußerte sich bereits kritisch, er verstünde auch nicht mehr, was dieses Vorgehen solle – anstatt klar zu benennen, dass die israelische Regierung schon lange über das erlaubte hinaus gegangen ist und dieses Vorgehen gegen Frauen und Kinder, nichts mehr mit einer Selbstverteidigung zu tun hat.

Der Kanzler Merz dankte kürzlich Israel und betonte im ZDF: „Ich kann nur sagen, größten Respekt davor, dass die israelische Armee, die israelische Staatsführung den Mut dazu gehabt hat, das zu machen. Wir hätten sonst möglicherweise Monate und Jahre weiter den Terror dieses Regimes gesehen. Und dann auch noch mit einer Atomwaffe in der Hand.“

Ein Dank an ein Regime, welches offenkundig gegen das Völkerrecht verstößt. Am Rande des G7-Gipfels sagte Merz (CDU) im ZDF: „Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle.“ Denn auch Deutschland sei von dem Regime betroffen.

Wie der Raketenangriff auf den Iran rechtlich zu bewerten ist, ist hingegen klar. Das völkerrechtliche Gewaltverbot in Art. 2 Nr. 4 der UN-Charta ist einer der Grundpfeiler der UN-Charta. Es untersagt den Mitgliedstaaten jede Androhung oder Anwendung von Gewalt in ihren internationalen Beziehungen. Die israelischen Angriffe auf den Iran stellen einen Verstoß gegen das Gewaltverbot dar.

Als Rechtfertigungsgrund kommt hier das Selbstverteidigungsrecht aus Art. 51 der UN-Charta in Betracht. Voraussetzung dafür wäre ein gegenwärtiger, rechtswidriger, bewaffneter Angriff des Iran. Merz beruft sich bei seinen Aussagen auf das Selbstverteidigungsrecht Israels, der Angriff auf den Iran ist aber rechtlich ebenso unzulässig, wie das Vorgehen in Gaza, da kein gegenwärtiger Angriff von Seiten des Irans vorlag. Das ist keine Selbstverteidigung mehr.

Atombomben – Welche Art von Frieden wollen wir haben?

Was ist nun mit dem Argument der Atomwaffen? Auch wenn kein gegenwärtiger Angriff des Irans auf Israel besteht, kann man wirklich weiter abwarten, bis die Mullahs im Iran eine Atombombe haben. Jürgen Elsässer (Compact Magazin) hat gesagt, dass das Prinzip der Abschreckung doch auch bei uns in Europa für Frieden gesorgt hat, warum sollte man das dem Iran also verbieten.

Ich sehe dies kritisch, denn ein Frieden, der nur deshalb gesichert ist, weil man bis auf die Zähne bewaffnet ist und mit der Totalzerstörung der Gegenseite drohen kann, ist in meinen Augen kein echter Friede. Frieden bedeutet, dass man gar nicht vor hat, den anderen anzugreifen, oder zu zerstören. Ein Frieden, der auf Angst basiert, ist eher als eine Waffenruhe zu bezeichnen.

Die echte deutsche Staatsräson steht hingegen schon im deutschen Grundgesetz: In Verantwortung vor Gott und den Menschen, möchte das deutsche Volk dem Frieden in der Welt dienen. Wie genau man dem Frieden dienen will, ist aber eine Frage der Auslegung. Von einer Staatsräson steht in der Präambel jedenfalls nichts!

G8 – Diplomatie bedeutet auch mit dem Gegner zu sprechen

Der letzte G7 Gipfel nahm eine unerwartete Wendung. Trump wich vom Thema Handel ab und sagte deutlich seine Sicht auf eine der folgenreichsten außenpolitischen Entscheidungen der letzten Jahre – den Ausschluss Russlands aus der G8. Früher war die G7 die G8 sagte Trump wörtlich und fuhr fort, Obama und ein gewisser Trudeau wollten Russland nicht mehr dabei haben ein großer Fehler.

Er glaube es gäbe heute keinen Krieg, wenn Russland noch am Tisch säße. Er kritisierte die damalige Entscheidung scharf und zog eine direkte Linie vom G8 Ausschluss zum Ukrainekrieg. Diplomatie funktioniert nur wenn alle Akteure am Tisch sind auch Gegner, so Trump.

Aber kaum war Trump abgeflogen, konnte es Merz nicht unterlassen sich an die Presse zu wenden und zu äußeren, dass man sich nicht mit Kriegsverbrechern wie Putin an einen Tisch setzen würde. In Talk-Shows muss man hören, dass die USA sich nicht mehr an die gemeinsamen Werte halten würden, dass der US-Vizepräsident JD Vance die Meinungsfreiheit in der EU in Frage gestellt habe, sei doch eine Frechheit.

Wer nicht mit dem Gegner reden will und kritische Stimmen nicht mal mehr ertragen kann, wie Merz und die europäischen Mainstream-Medien, dem bleibt für die Friedensicherung nur die Abschreckung mit der Totalvernichtung. Dabei können die anderen dann die Drecksarbeit machen und Deutschland liefert „nur“ die Waffen dafür.

Aus meiner Sicht haben sich jedenfalls nicht die USA, sondern diese EU und dessen Staatsführer von den gemeinsamen Werten verabschiedet. Die Aufrüstung der EU sehe ich dabei sehr kritisch, wenn man nicht mehr reden will, wie Friedrich Merz, dann ist der nächste Schritt nämlich der Krieg. Immerhin bewegt sich inzwischen etwas in der SPD, aus dessen Reihen ein Manifest für den Frieden verabschiedet wurde.

Die SPD-Friedenskreise zu denen auch Mützenich, Stegner, Walter-Borjans, und der ehemalige Bundesfinanzminister Hans Eichel gehören, fordern darin eine Kehrtwende in der Außen- und Sicherheitspolitik. Von einer stabilen Friedens- und Sicherheitsordnung sei Europa aktuell weit entfernt, beklagen sie und werben für Deeskalation und schrittweise Vertrauensbildung statt einem Rüstungswettlauf.

Dass Israel keine Atomwaffen vor der Türe stehen haben will, kann ich schon nachvollziehen, ebenso wie die USA bei der Kuba-Krise, oder die Russen, welche keine Atomwaffen in der Ukraine haben wollen. Wenn aber ständig an das Völkerrecht erinnert wird, dann sollte das auch für alle Parteien gelten, nicht nur für „die Guten“. Sich aber bedingungslos auf eine Seite zu stellen, egal mit welcher aktuellen Regierung man es zu tun hat, kann keine Staaträson sein, sondern allenfalls eine große Dummheit.

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