Legalität oder Legitimität
Jede Form politischer Herrschaft basiert nicht nur auf dem Herrschaftsanspruch, sondern auch auf der Bereitschaft der Beherrschten zur Anerkennung der Herrschaftsbeziehung, das Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der politischen Herrschaft. Soll die Herrschaft nicht nur durch Willkür und Zwang aufrechterhalten werden, muss sie die Grundsätze formeller Rechtmäßigkeit (Legalität) beachten und auf dem Vertrauen an die Rechtmäßigkeit der Herrschaft beruhen.
Ein Problem entsteht aber dann, wenn große Teile der Bevölkerung an den Grundwerten oder an der Rechtmäßigkeit des Handelns der Herrschenden zweifeln. Ich glaube, dass wir es inzwischen damit zu tun haben, viele glauben nicht mehr daran, dass der Staat rechtmäßig – also legal handelt. Auf der einen Seite stehen die „Schwurbler“, die sagen die Corona Maßnahmen der Regierung waren unrechtmäßig, weil man sich nicht angeschaut hat, was andere Wissenschaftler wie John Ioannidis oder auch Dr. Wolfgang Wodarg gesagt haben und beklagen bis heute, die ihrer Ansicht nach die zu Unrecht erfolgten Grundrechtseinschnitte. Auf der anderen Seite sehen wir die Klima Kids. Auch sie erkennen die staatlichen Regelungen nicht mehr an. Straftaten wie Nötigungen im Straßenverkehr, bezeichnen sie selbst verharmlosend als einen zivilen Widerstand, schließlich ginge es ja darum höhere Werte zu schützen.
Sich über den Rechtsstaat hinwegzusetzen und das materielle Recht eben nicht mehr anzuerkennen hat also Hochkonjunktur, auf der einen wie auf der anderen Seite. Der Querdenken Anwalt Ralf Ludwig meinte kürzlich auf einer Pressekonferenz, dass materielle Recht sei doch nur eine Erfindung von Menschen. Ja, sicherlich sind es die Menschen, die Gesetze und Verordnungen machen, aber wo kommen wir hin, wenn jeder meint, dass er sich nicht mehr an das Recht halten muss.
Ein weiteres Beispiel dafür ist auch der Prozess, um den Bochumer Mediziner Heinrich Habig, der wegen dem Ausstellen von falschen Impfausweisen zu 2 Jahre und 10 Monate Haft verurteilt wurde. Dass Habig tatbestandsmäßig gehandelt hat bestreitet niemand, aber viele wollen einen Rechtfertigungsgrund in seinem Handeln erkennen. Das Gericht lehnte dies aber mit dem Hinweis darauf ab, dass dies gegen Gesetze nicht möglich sein, immerhin bestand für die Betroffenen die Möglichkeit gegen den indirekten Impfzwang zu klagen. Das Rechtsempfinden, ob eine Tat die zwar grundsätzlich nicht legal ist, für viele Menschen aber legitim, fällt also immer weiter auseinander. In der Tat muss ich mich der Meinung der Gerichte anschließen, was nicht erlaubt ist muss bestraft werden, sonst würde das Chaos ausbrechen, wenn jeder glaubt, dass er wegen seinen vermeintlich guten Motiven das materielle Recht nicht mehr beachten muss.
Die „edlen Motive“ einer Tat sind dagegen bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Habig hat aus meiner Sicht gesellschaftlich keinen großen Schaden verursacht, wenn man berücksichtigt – wie sich jedenfalls nachträglich herausstellte – die Impfung gar nicht vor Ansteckung anderer Menschen geschützt hat. Ich halte die Strafe daher für viel zu hoch, auch sehe ich keine Gründe für eine Untersuchungshaft des Bochumer Mediziners. Während aber auf der einen Seite die „edlen Motive“ der Klimakleber immer stets hervorgehoben und bei, Strafmaß berücksichtigt werden, hält die Corona Justiz trotz aller heutigen Erkenntnis an ihrer Rechtsprechung fest.
Es scheint fast so, als habe man Angst davor, die Fehlurteile aus der Vergangenheit nun in Frage zu stellen. So entschied nun auch der BGH, dass es keine Entschädigungen für Verdienstausfälle in der Lockdownzeit geben würde, die Einschränkungen seien schließlich verhältnismäßig gewesen. Bis an diesem Narrativ gerüttelt werden kann, müssen meiner Ansicht nach noch 20 Jahre vergehen. Erst wenn die Entscheidungsträger aus Politik und Justiz nicht mehr im Amt sind, wird eine andere Beurteilung möglich sein.
Aber egal auf welcher Seite man auch stehen mag, der Glaube an den Staat ist zweifellos beschädigt worden und dies verleitet auch immer mehr Menschen dazu, dass sie glauben, sich nicht mehr an das Recht halten zu müssen, oder sogar dem Staat die Anerkennung zu verweigern. Ein Staat, der seine Herrschaft aber nur noch mit Zwang durchsetzen kann, hat ein Problem und daher wundert es mich auch gar nicht, was wir aktuell erleben, denn eine Besserung ist kaum in Sicht. Corona hat die Türe zum Ideologie Staat geöffnet und so wird es auch weitergehen …